Rheinschökern erlaubt

Willkommen zur zweiten Folge des buecher:held:innen-Podcast. In dieser Episode ist Anja Choinowski (Inhaberin der Buchhandlung Rheinschmökern) in Krefeld-Uerdingen zu Gast und erzählt von der Gründung ihrer Buchhandlung mitten im Lockdown 2021!

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Falls ihr nicht hören, sondern lesen möchtet scrollt weiter. Im Anschluss findet ihr auch das ganze Gespräch zum Nachlesen!

 

 

Andrea: Heute habe ich Anja Choinowski zu Gast. Sie ist die Inhaberin der Buchhandlung Rheinschmökern aus Krefeld-Uerdingen. Herzlich willkommen liebe Anja und schön, dass du da bist.

 

Anja: Vielen lieben Dank! Ich freue mich auch hier zu sein.

 

Andrea: Wir legen direkt los. Wir wollen heute ein bisschen über deine Buchhändlerinnen-Geschichte hören. Die ist spannend, weil deine Buchhandlung noch gar nicht so alt ist. 2021 gegründet.

 

Anja: Wir haben 2020 den Plan gefasst, eine Buchhandlung zu eröffnen. Das Ganze kam so zustande, dass ich aus dem Sommerurlaub zurückkam und von einem Wettbewerb erfahren habe.  Der wurden hier in Krefeld ausgelobt, weil es in Krefeld-Uerdingen ein Jahr lang gar keine Buchhandlung mehr gab. Und dann hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft gesagt: „Das kann so nicht bleiben. Wir fördern das Ganze und entwickeln diesen Wettbewerb.“  Ja, so kam die Idee eigentlich erst zustande. Das war im August 2020 und eröffnet haben wir im Februar 2021, also relativ zeitnah.

 

Andrea: Das ging zügig. Du hast dich beworben und dein Konzept hat offensichtlich die Jury überzeugt.

 

Anja: Ganz offensichtlich konnte ich gewinnen! Ich bin da so rein geschlittert, sage ich immer. Als wir Anfang August aus den Sommerferien gekommen sind und ich diesen Wettbewerb gesehen habe, war mein erster Gedanke „Hui, der ist aber doch sehr professionell aufgemacht!“. Ich bekam sämtliche Infos über die Homepage und fand das ganz große Klasse. Und mein zweiter Gedanke war „Na, Gott sei Dank. Es erkennt jemand, dass in Uerdingen die Buchhandlung fehlt.“ Weil mir hat die am allermeisten gefehlt! Ich konnte es gar nicht verstehen. Wir haben eigentlich einen sehr guten Stadtteil mit einem großartigen Versorgungskonzept. Also man bekommt hier wirklich alles und muss gar nicht  in die große Welt reisen. Und ja, plötzlich war die Buchhandlung weg. 

Andrea:  Da war die Nahversorgung dahin,  die Literarische.

 

Anja:  Definitiv. Ja, und ich habe mir auch die Frage gestellt „Wie kann das sein? Wie kann ein lebendiger Stadtteil existieren, ohne dass sich dort eine Buchhandlung trägt?“ Und da ich keine gelernte Buchhändlerin bin und vorher auch noch nie in einer Buchhandlung gearbeitet habe, stellte sich mir natürlich die zweite Frage „Kann man mit Büchern eigentlich Geld verdienen?“

 

Andrea:  Du bist eigentlich eher aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich?

 

Anja:  Kann man so sagen. Ich habe – besser, ich sage die Jahreszahl gar nicht –  ich habe vor einiger Zeit mein (damals noch) Diplom in Kommunikationswissenschaften gemacht und habe dann einen Ausflug in die Marketingwelt und Event-Branche gemacht. Dann bin ich schlussendlich bei der Arbeitsagentur eingestellt worden und habe da lange Jahre als Berufsberaterin gearbeitet. Das hat mir immer sehr viel Freude gemacht.

 

Andrea:  Ha. Meine Berufsberaterin hat mir gesagt, ich soll bloß nicht in den Buchhandel gehen.

 

Anja: Hat sie das gesagt?

 

Andrea: Ja, da haben ich gerade noch ein Blogartikel drüber geschrieben. Sehr lustig. Mir wurde vehement vom Buchhandel abgeraten vor -oh Gott, ich sage auch keine Jahreszahl – mehr als 15 Jahren.

 

Anja: Ja, wer weiß… Wobei sich mittlerweile natürlich auch der Arbeitsmarkt gewandelt hat. Da ist ja eher das Problem im Moment an Personal zu kommen,  für eine:n Inhaber:in einer Buchhandlung. Auf jeden Fall war ich dann bei der Arbeitsagentur und habe eins, zwei, drei Kinder bekommen. Ich habe das alles immer mehr nebenher gemacht mit dem Arbeiten und fand das immer schön, dass ich auch mal aus der Kindererziehungszeiten noch mal einen Ausflug in die Erwachsenenwelt machen durfte. Deswegen hatte ich dann im August, als dieser Wettbewerb war, auch einfach die Zeit und die Muße, ein Konzept zu entwickeln.

 

Andrea: Und mit deinem Konzept hast du ja den Wettbewerb gewonnen. Du bist also gefördert worden durch die örtliche Wirtschaftsförderung bei der Gründung? Oder bist du nur „unterstützt“ worden?

 

Anja : Ich wurde tatsächlich gefördert, es gab ein Preisgeld bei diesem Wettbewerb. Aber was am Ende der größere Gewinn war, waren die Beratungskompetenz, die dahinter steckten. Die Jury, vor der ich das Konzept präsentieren musste, bestand aus neun Köpfen. Ichhabe mich ein bisschen erschrocken, als ich zum Pitch eingeladen wurde – da stand nichts davon in der Ausschreibung – und dann ja, befand ich mich plötzlich inmitten dieser Jury und musste dann dieses Konzept präsentieren. Und die Jury bestand aus Leuten aus der Unternehmerwelt hier im Ort: es war beispielsweise der Niederlassungsleiter der Sparkasse dabei, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft, es war ein anderer Buchhändler dabei aus einem anderen Stadtteil, jemand vom örtlichen Gymnasium. Also eine ganz bunte Welt. Und schlussendlich habe ich von all diesen Menschen nachträglich auch Unterstützung bekommen und dadurch natürlich auch ein Netzwerk gleich von Anfang an zur Verfügung gehabt, was mir den Start einfach viel, viel einfacher gemacht hat als wenn ich mich mit irgendwas selbstständig gemacht hätte. Da guckt ja erst mal keiner hin und das war bei mir in dem Moment anders. Die Presse war natürlich auch aufmerksam und hat von Anfang an über uns berichtet und das macht schon viel aus.

 

Andrea: Ja, das ist auf jeden Fall ein guter Start, wobei der Zeitpunkt könnte man meinen, nicht ganz ideal war um in den Buchhandel einzusteigen. Also Februar 2021. Die meisten Kolleg:innen werden wahrscheinlich die Hände überm Kopf zusammenschlagen und sagen Gott, wir waren froh, dass wir irgendwie mit unserem laufenden Geschäft überlebt haben, unsere Kund:innen uns treu geblieben sind. In der Zeit neu anzufangen, Kund:innen zu akquirieren und es zu schaffen, über die ersten Monate zu kommen, war auf jeden Fall eine große Herausforderung, oder?

 

Anja: Ja, du hast recht. Also natürlich waren die äußeren Umstände nicht optimal. Aber wenn ich mal das Positive hervorheben darf: zum einen habe ich einen ganz klaren Vorteil gehabt und zwar hatte ich KEINEN laufenden Betrieb, den Corona überrascht hat. Das heißt, ich hatte kein Personal, das ich bezahlen musste inmitten einer Krise, wo plötzlich die Tür geschlossen wurde – in vielen Bundesländern. Ich konnte mich in Ruhe einarbeiten. Und dann sind wir wieder an dem Punkt, dass ich keine gelernte Buchhändlerin bin und ich natürlich aufgeregt war, weil ich auch einen gewissen Anspruch an mich selbst hatte. Ich habe die Eröffnung auch nicht im Alleingang gemacht, sondern ich habe mir eine Buchhändlerin an die Seite geholt und die war auch von Anfang an da. Aber ich brauchte nicht zwei, drei Buchhändlerinnen…  Wir haben es dann eben am Anfang mit zwei Leuten hier begonnen. Und das klappte auch ganz gut, weil wir hatten nur eine Tür und einen Tisch. Wir mussten ja zunächst einmal nur Bestellungen annehmen und rausgeben. Und das war eigentlich ein guter Lerneffekt. Also wir konnten uns erstmal mit dem Kassensystem vertraut machen und das habe ich durchaus auch als positiv empfunden und es war natürlich der einfachere Weg.

 

Andrea:  So kann Corona dann auch eine positive Auswirkung haben. Das ist aber schön zu hören.

 

Anja: Ja, es war ein leichter Start -Schritt für Schritt, die Do-It-Your-Self-Anleitung zu einer eigenen Buchhandlung. Und ja, das war im Grunde dann der Vorteil aus der Situation. Was ich auch sagen muss, was natürlich auch ein Vorteil war: wir brauchten ja relativ zügig ein Ladenlokal. Gefunden habe ich dieses schnell, aber es war in einem desolaten Zustand mit Löchern im Boden und die Wände. Es stand zehn Jahre leer, das Ladenlokal.  Wir haben mal einen kleinen Beitrag auf unserer Facebook-Seite gepostet, wie es aussah. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wir haben dann im November angefangen mit den Renovierungsarbeiten – und es hatten alle Zeit,  es haben sich auch alle gefreut. Und dann haben wir wirklich mit den ganzen Helfern im Freundeskreis Arbeitspläne entwickelt, weil wir gesagt haben, wir können natürlich jetzt nicht 10 Leute hier in den Laden stellen und alle fangen gemeinsam an zu renovieren. Wir haben wirklich Schichten eingeteilt und dann durfte der erste Haushalt kommen und vormittags helfen und in der ersten Etage war dann der zweite Haushalt… 

Das hat dann wirklich super dazu geführt, dass wir relativ schnell  fertig wurden.

Andrea: Du hast auch von Anfang an Social Media bedient. Du hast es ja gerade erzählt,  ihr habt die Renovierung auch dokumentiert. Alle, die noch nicht folgen dürfen @rheinschmökern – also „rhein“ wie der Rhein – der Fluss, der durch den Heimatort von Anja fließt – direkt mal folgen und sich  angucken, wie es bei euch früher aussah und wie es jetzt aussieht.

 

Anja: Gerne, gerne. Ja, wir sind auf Social Media aktiv und ich habe mir die Frage gestellt „Wie kann ich den Kundinnen und Kunden schon mal mitnehmen, wie kann ich sie hinter die Kulissen führen und kann ihnen einen Einblick geben?“ Das hat natürlich auch am Anfang irre viel Spaß gemacht. Das macht auch jetzt noch Spaß, ist aber natürlich im laufenden Betrieb unfassbar viel Arbeit. Mittlerweile habe ich eine Angestellte, die das Ganze vorrangig betreut. Das ist die liebe Taibe bei uns im Laden und die macht vorrangig die Insta-Arbeit. Sie hat da ganz tolle Ideen und arbeitet mit Redaktionsplan etc. Und das hat sich richtig gut bewährt und es macht ihr auch Spaß und das merkt man auch. Wir machen ein Posting am Morgen und haben nachmittags jemanden im Laden, der sagt „Ich habe da das Buch gesehen, was ihr empfohlen habt.“  und man merkt richtig, dass diese Arbeit wichtig ist.

 

Andrea: Es ist quasi ein zweites Schaufenster – ein Schaufenster, das die Kund:innen eigentlich immer in der Hosentasche haben. Man kann wirklich das zeigen, was man gerade ganz aktuell im Laden hat, was einem am Herzen liegt und vielleicht auch, was man gerade ausgepackt hat. Genau das macht ihr ja auch. Ihr zeigt viele Bilder von Büchern, ihr zeigt auch ein bisschen was hinter den Kulissen passiert, habe ich gesehen. Ich folge euch auch schon ein bisschen länger und ich finde, ihr habt Instagram ausgesprochen schön gestaltet. Ihr habt einen sehr, sehr schönen Feed. Das macht richtig Spaß. Das ist nicht bunt zusammengewürfelt, sondern man sieht auch das Konzept dahinter. Also großes Kompliment an die Kollegin meinerseits.

 

Anja: Das wird Taibe jetzt mehr als freuen! Und ich entschuldige mich an dieser Stelle für jeden „Zwischenpost“, den ich da reinschicke. Ich habe immer schon ein schlechtes Gewissen, weil sie ist sehr penibel, was ihren Feed angeht. Und ich sage immer „Das sieht sowieso keiner…“ .Aber du zeigst mir gerade Taibe hat da absolut Recht und sie schimpft immer, wenn ich sage „Aber wir müssen das JETZT schnell noch posten“.  Zum Beispiel hatte die Schule im Winter das Problem, dass der Weihnachtsmarkt ist ausgefallen ist. Und wir brauchten dringend ein Post, dass wir den Weihnachtsmarkt der Schule übernommen haben. Also, dass man die ganzen gebastelten Sachen bei uns kaufen konnte. Ich wollte das gerne schnell verbreiten. Und sie sagte „Aber das passt jetzt gar nicht vom Design in den Feed“ und ich dachte, es muss da jetzt reinpassen. Also sie hat irre viel Arbeit mit mir und meinen Ideen. Diese dann in unseren wunderschönen Feed – ich sehe das auch so – rein zu quetschen. Und ja, es hat sich ja offenbar gelohnt. Sehr schön.

 

Andrea Ja, durchaus. Also wenn man auf eure Instagram Seite geht und runterscrollen, dann  fällt auf, dass da ein Konzept dahinter steckt. Das kann man nicht anders sagen. Bei uns ist es in der Buchhandlung auch ähnlich… Wir nutzen die Stories sehr viel dann für solche spontanen Geschichten. Und oft kommen auch Kund:innen, die wirklich beides (Beiträge und Storys) konsumieren und sagen „Ich habe das gestern Abend auf der Couch in der Story gesehen und ich möchte das unbedingt haben, was ihr da empfohlen habt.“ Geht euch auch so, habe ich jetzt rausgehört.

 

Anja: Ja genau. Und ich darf auch nur noch Stories posten – eigenverantwortlich.

 

Andrea:  Schön, wenn die Chefin mal in die Schranken gewiesen wird. *Lacht*

 

Anja:  Das darf hier auch sein!

Andrea : Also die Kompetenzen sind klar verteilt. Es ist auch gut, wenn man als Inhaberin nicht alles selber macht. Das ist auf jeden Fall ein heißer Tipp für alle Kolleg:innen, die sagen „Boah, das schaffe ich nicht. Also zur Buchhaltung, zum Einkauf, den ich ja persönlich mache usw… Wo ich als Inhaber:in die Zügel in der Hand habe, kann ich jetzt nicht noch Social Media machen!“. Also es lohnt sich vielleicht auch mal im eigenen Team umzuschauen. So wie bei dir!

 

 Anja : Definitiv. Also ich sehe das genauso. Ich würde das, was Taibe in diese Arbeit steckt – was sie pro Woche an Stunden allein für diesen Kanal verwendet – das würde ich nicht noch „on top“ schaffen. Ich bin immer gerne dafür, Dinge zu 100% zu machen oder zu lassen. Und das kann Sie auch wirklich,  sie hat da auch richtig Spaß dran. Das ist ihre Kompetenz. Und mich freut es natürlich, wenn ich zwischendrin mit ihr da einfach nur drüber quatschen brauch und sagen kann „Oh, die Idee haben wir“ und der Rest läuft dann. Also ich finde man muss auch abgeben können.

 

Andrea: Es ist sehr vernünftig und sehr gesund, würde ich mal sagen.

 

Anja: Ja, ja!

 

Andrea:  Willst du ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern? Zum Thema Redaktionsplan – Wie sieht das aus? Ihr plant die Reals, die Stories, die Beiträge vor oder macht ihr das hauptsächlich für die Beiträge?

 

Anja: Sagen wir es so, wenn es nach Taibe ginge, würden wir das tun. Wir haben auch einen Excel-Redaktionsplan auf dem PC , den ich befüllen sollte, wenn ich Wünsche habe. In der Praxis sieht das so aus, dass ich warte, bis Taibe da ist und ihr manchmal auch einfach per WhatsApp schreibe: „Wir müssen dies und das und jenes posten“ und dann wird es aber schon vorgeplant. Es ist so, dass wir jetzt nicht über das komplette Jahr planen, aber auf ein, zwei Wochen – gerade auch wenn es um Urlaubszeiten geht – ist das irre wichtig. Und dann ist es natürlich so, dass man sich die Themen anguckt. Was steht in den nächsten zwei Wochen so an? Und Taibe nicht jeden Tag in der Buchhandlung ist, macht sie das eben an den Tagen, wo sie da ist. Dann plant sie die Posts für eine ganze Woche. Da gibt es ja auch ganz nette Tools, die mir die liebe Andrea damals empfohlen hat. Ich erinnere mich.

 

Andrea: Ich freue mich!

 

Anja: Genau. Und da können wir gut mit arbeiten und das klappt dann. Und dann ist man auch immer noch flexibel genug zu sagen, da muss jetzt noch mal was zwischen, weil gerade an dem Tag irgendetwas besonderes reinkam. Ja, so machen wir das eigentlich.

 

Andrea:  Das klingt auf jeden Fall nach einem Konzept, von dem sich der Ein oder Andere sicherlich eine ganz große Scheibe von abschneiden kann.

 

Anja: Also ich würde mich freuen, wenn ganz viele Buchhändlerinnen und Buchhändler den Weg zu Instagram und Facebook finden würden. Wir sind ja auch miteinander vernetzt und das macht total viel Spaß. Und so arbeite ich sehr gerne. Ich finde, das zeichnet auch die Branche aus. Nach einem Jahr in der Branche kann ich sagen, ich habe es wirklich nicht gedacht, dass es so eine nette kollegiale Branche ist! Ich habe nicht das Gefühl, dass man irgendwo in Konkurrenz steht. Beispielsweise habe ich, nachdem ich den Wettbewerb gewonnen habe, gedacht, „Hups, jetzt mache ich eine Buchhandlung auf. Ich habe ja noch gar nie da gearbeitet.“ Der Plan war relativ schnell klar, ich brauch ein Praktikum. Ich muss irgendwo jetzt in der Buchhandlung anfangen zu arbeiten, um mir zumindest das Wichtigste schon mal anzueignen. Ich habe dann auch fast augenblicklich eine Buchhandlung in Wuppertal gefunden, wo ich dann netterweise bei der lieben Gesa ihre Kund:innen verschrecken durfte… Am Anfang mit den fürchterlich eingepackten und den falschen Bestellungen und den falsch einsortierten Büchern! Das hat sie alles ertragen und mir  so die ersten Schritte in der Buchhandlung beigebracht. Und habe ich niemals erlebt, dass da irgendwer mich als Konkurrenz wahrgenommen hätte. Im Gegenteil. Also dieses „Best Practice“ finde ich super und genieße es sehr in den verschiedensten Netzwerken. Ich würde mir wünschen, dass einfach Viele noch dazukommen und man sich auch über Social Media noch mehr vernetzen kann.

 

Andrea: Ja, es gibt ganz viele Kollegen, die unfassbar tolle Ideen haben, die unbedingt in die Welt müssen. Ihr habt auch eine ganz wunderbar Service-Zusatzleistung. Es gibt nämlich ein ganz tolles Angebot bei euch in der Buchhandlung. Also viele Kollegen haben so etwas wie „Einschließen und Genießen“. Sprich nach Ladenschluss kann man sich einschließen lassen und für ein paar Stunden in der Buchhandlung seine Zeit verbringen. Viele Kunden träumen definitiv davon, mal eine ganze Nacht in der Buchhandlung zu bleiben. Das ist bei euch richtig möglich – also wirklich über Nacht!  

Anja:   Ja, über Nacht kann man auf unsere Bücher aufpassen. Genau. Du sagst es und ich werde oft gefragt, wie die Idee entstanden ist. Es ist so,  hättest du mich früher gefragt, wo ich übernachten möchte, hätte ich niemals gesagt in einem Süßigkeitenladen, sondern ich hätte immer gesagt an einem Ort von Büchern umgeben. Wahrscheinlich hätte ich noch eher die Bücherei genannt. Aber dann hatte ich das Konzept der Buchhandlung und das Erste, was ich mir überlegt habe, war „Das geht mit einer Übernachtung einher.“ Das Ganze habe ich dann wieder kurz vor der Präsentation aus dem Konzept rausgenommen, weil ich mich davor gescheut habe. Ich habe dann gesagt, ich schau erst mal, dass das Grundgerüst steht. Das war dann auch gut. Aber im Grunde… Bei dem Konzept war schon die Idee da, dass man auch mal über Nacht bleiben kann.  Hintergrund ist auch, dass wir vor sechs Jahren ein Haus gekauft haben und dort hatten Wohnraum zu viel. Eine Einliegerwohnung. Dann haben wir überlegt, was machen wir da erst mal mit? Die Kinder sind noch zu klein, die brauchen den Platz nicht . Also lass uns das doch mal  ferien- bzw. zeitweise vermietet. Über AirBnB reingestellt und wir sind seit sechs Jahren der erfolgreichste Ferienvermittler von Krefeld-Uerdingen. Scheinbar. Ich war nämlich kaum eine Nacht nicht gebucht. Und so habe ich mich von Anfang an getraut, die Leute auch hier in der Buchhandlung übernachten zu lassen. Da wird oft nachgefragt „Hast du keine Angst?“. Und ich frage immer,  was soll denn passieren? Es zahlt doch keiner die Übernachtungsgebühr, um die Bücher raus zutragen. Im Gegenteil, ich glaube, wenn ich ein Schild an der Tür habe, dass hier Übernachtungsgäste sind, bin ich eher vor einem Einbruch geschützt, als dass ich Gefahr laufe, dass hier jemand randaliert. Damit rechne ich überhaupt gar nicht. Und die Erfahrung aus unserer Vermietungsgeschichte heraus hat das Ganze dann im Dezember so weit gehen lassen, dass wir den Startschuss gegeben haben. Und was soll ich sagen? Der nächste Samstag wäre dann im April wieder frei! Also es ist super angenommen worden und die Leute haben wirklich einen richtigen Wunsch danach. Und ich glaube, dass Corona hier auch wieder ein Motor für unsere Idee ist, weil man kann gerade weniger verreisen. Und wenn, dann ist es sehr aufwendig. Man hat auch einfach nicht mehr dieses Shoppingerlebnis, wie das der eine oder andere gerne hätte. Man hat Masken auf, die dem einen oder anderen auch schwer fallen und diese Menschen genießen es dann total, dass wir  hinter uns den Laden zuschließen und sie hier ihre Stunden alleine verbringen können.

 

Andrea:  Und ihr habt in der oberen Etage also wirklich ein Gästezimmer eingerichtet und es ist ganz gemütlich. Kann man auch wunderbar auf eurer Instagram-Seite sehen und sich mal das Reel angucken, was ihr gedreht habt.

 

Anja:  Ja genau. Also die Gäste sind auch sehr begeistert. Auch das war übrigens eine Idee. Die ist mir in der Hängematte circa ein Jahr nach dem besagten Urlaub gekommen, weil ich überlegt habe was machen wir diesem Raum. Waren kann ich da nicht anbieten dann sind wir nicht mehr barrierefrei, weil er in der ersten Etage liegt. Und ich hatte irgendwie immer gedacht  ein Buchclub, der darf sich hier gerne treffen. Und warum mache ich nicht direkt ein Wohnzimmer draus? Auf  der Schlafcouch finden zwei Personen Platz und können dort auch ganz gemütlich liegen und schlafen. Und man hat auch Ruhe, wenn dann eben nachts die Bücherkisten geliefert werden.

 

Andrea:  Ihr habt auch Frühstück im Petto. Das macht ihr aber nicht selber?

 

Anja:  Genau, das übernimmt ein in der Nähe liegendes Café. Und zur Übernachtung gibt es einen Gutschein. Wer hier übernachtet, darf dann am nächsten Morgen dort hin. Wir kümmern uns darum, dass dann einen Tisch im Café reserviert ist. Und da geht es dann von der Buchhandlung ins Café und dort gibt es dann ein reichhaltiges und leckeres Frühstück.

 

Andrea: Das klingt nach dem perfekten Geschenk für alle Bücherwürmer – aus dem Rheinland sowieso und auch für alle, die längere Fahrzeiten in Kauf nehmen für den Traum eine Nacht in der Buchhandlung verbringen zu können. Wer jetzt Lust hat, muss bei dir anfragen.

 

Anja : Gerne, sehr gerne. Wir nehmen Reservierungen für Samstage auch dann ab April an. Unter der Woche ist aber auf jeden Fall auch früher schon etwas frei. Sehr schön.

 

Andrea:  Dann erzähl doch mal deinen heißesten Tipp noch für alle Kollegen, die sich noch ein bisschen scheuen, Social Media zu benutzen. Du und deine Geschichte von der Buchhandlung zeigen ja deutlich, das es die richtige Zeit ist, um sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Was ist denn dein Tipp für alle Kollegen, die sich nicht so richtig trauen zu starten?

 

Anja:  Einfach machen! Das ist immer mein Tipp. Einfach mal ausprobieren und der Rest wächst ja von alleine. Also wenn man sich das bei uns anguckt, dann sehen doch die Posts am Anfang bei uns – mein Feed würde würdest du jetzt sagen – anders aus. Da sieht man auch, dass der gewachsen ist und man lernt wirklich schnell und es gibt auch ganz viele tolle Seminare, oder? Ich habe auch gehört, es gibt ja Beratungen zum Thema, um den Ball mal zurück zu spielen und die kann man auch in Anspruch nehmen und da werden einem wirklich tolle Tipps und Hinweise gegeben. Und man lernt das so schnell. Ich habe das auch nicht gedacht. Einfach machen.

 

Andrea: Habt ihr denn schon neue Reel- Ideen? Ich habe gesehen ihr nutzt Reels.

 

Anja: Auf jeden Fall. Wir müssen…

 

Andrea:  Du wirst quasi dazu verdonnert?

 

Anja:  Wir müssen Reels nutzen, um unsere Reichweite zu maximieren. Hier wird nur noch in Followern gedacht… *lacht* Also ja, du hast mich jetzt auch eiskalt erwischt, weil Taibe hat mich letzte Woche mit den Worten begrüße „ich habe drei Ideen für Reels!“. Und ich habe gesagt „Wir müssen noch…“  und dann waren die Ideen…. Hmmm, ich weiß gar nicht, was Taibe geplant hat.  Aber wir haben auf jeden Fall Ideen, habe ich gehört. Wir nutzen die Reels, weil es, soweit ich das mir habe sagen lassen, weil Instagram einfachen Fotos hinten anstellt. Und das merken wir auch. Wir haben ja relativ einfach die Möglichkeit zu sehen, welcher Beitrag wird wie angesehen. Man kann sogar schauen sind das die Menschen, die uns schon folgen oder sind das eben andere Leute? Und wir haben natürlich auch ein Interesse daran, neue Leute  als Kund:innen zu generieren, die Zielgruppe auch ein Stück größer zu machen und bekannter zu werden. Und ja, da muss ich sagen, wird ja im Moment der Fokus ganz klar auf Reels gesetzt. Da sind wir dann natürlich dran. Bis zu TikTok haben wir es noch nicht geschafft. Die Idee kam auch schon mal auf. Da muss ich aber sagen, sind wir aktuell noch nicht. Und das wird auch erstmal so bleiben. Ich bin auch auf dem Standpunkt, dass der Laden  in erster Linie laufen muss. Und da sind wir wieder bei dem Thema. Instagram ist schmückendes Beiwerk – wichtiges Beiwerk – was nicht außer Acht gelassen werden darf. Aber der Kunde steht erstmal im Laden, der muss dann bedient werden. Wenn wir jetzt noch TikTok- Videos tanzen, dann lachen die Kund:innen uns hinterher hier an der Kasse aus. Vielleicht kommt das aber trotzdem als nächstes…  Bist du schon bei TikTok?

 

Andrea:  Also ich bin bei TikTok, aber die Buchhandlung, für die ich arbeite ist nicht bei TikTok. Wir haben es aus den gleichen Gründen wie ihr bis jetzt noch ausgeschlossen. Ich denke, da muss man auch jemanden haben, der da auf jeden Fall affin für ist. Der sich da auch noch mal ein bisschen mehr mit auseinandersetzt und auch Content produziert. Denn wenn dann nix passiert auf dem Kanal -das ist ja wie bei allen Kanälen – also wenn jetzt auf Facebook und Instagram bei euch nichts passieren würde, dann kommen ja auch keine Kunden in den Laden. Aber es ist natürlich eine ganz andere Zielgruppe, die man da vielleicht noch mal erreichen könnte. Für den Buchhandel sicherlich auch interessant, diese jüngere Zielgruppe zu erreichen.

 

Anja:  Das ist es nämlich. Das habe ich schon  in meinem Praktikum gedacht. Das erste, was gesagt wurde war, dass Jugendbücher ab 10 Jahren eine der schwächsten Warengruppen ist. Und ja, durchaus läuft die natürlich nicht so gut wie ein Kinderbuch ab 8 Jahren, aber da muss ich sagen, wir sind durch die Nähe zu den Schulen einfach sehr interessiert an der Zielgruppe. Und wir machen jetzt zum Beispiel auch beim Gratis Comic Tag im Mai damit. Ich finde, man darf die Zielgruppe jetzt nicht einfach außen vor lassen,  in der Annahme, die lesen eh nicht. Das ist nicht so, nicht das erleben wir hier. Wir haben durchaus auch Jugendliche, die hier herkommen und die finden uns dann tatsächlich am ehesten über Social Media – Gott sei Dank  – noch über Instagram und ohne Tanzen auf TikTok.

 

Andrea:  Aber sobald ihr auf TikTok seid, lade ich dich noch mal ein und dann sprechen wir  eine Runde darüber.

 

Anja:  Sehr gerne, machen wir.

Andrea : Wie ist es denn mit den Rückmeldungen, die ihr bekommt? Die laufen wahrscheinlich hauptsächlich auf über Instagram und Facebook ein. Bestellen die Leute auch direkt über die Social Media Plattformen?

 

Anja:  Ja,  also wir bekommen Anfragen direkt über Instagram und Facebook. Und  da sind definitiv auch Bestellungen bei. Mich freut es immer, ich versuche die Anfragen aber auch immer mit dem Hinweis „Schaut mal auf unserer Homepage und dort könnt ihr zur Abholung in die Buchhandlung bestellen“ zu versehen, weil das vom ganzen Bestellprozedere her natürlich auch einfacher ist. Das läuft ganz gut. Diejenigen sind wirklich sehr dankbar und haben dann ihr Handy sowieso schon in der Hand. Und eine Bestellung über unseren Shop auf dem Handy zu machen ist so simpel – das klappt wirklich gut. Also da sind wir sehr froh, dass wir den Kanal nutzen können.

 

Andrea: Nutzt ihr den Instagram Shop?

 

Anja: Nein.

 

Andrea: Also ihr schickt eure Kunden dann direkt auf eurer Homepage, auf euren Webshop oder?

 

Anja: Ja. Oder die Kund:innen sagen „Ich habe dieses oder jenes Buch gesehen“ und schicken mir dann per Nachricht die ISBN zu.  Das ist der häufigere Fall. Da wiederum bestellen wir direkt und geben noch den Hinweis auf unseren Webshop. Dann haben die Kund:innen natürlich auch noch die Informationen direkt, ist etwas lieferbar. Wenn wir hinter dem Tresen stehen in der Buchhandlung – das wird jeder Kollege und jede Kollegin auch kennen,  dann guckt man in die E-Mails, man bedient das Telefon, man schaut dann noch mal bei WhatsApp Business. Und wenn dann auch noch mal das Smartphone zur Hand genommen wird und bei Instagram und Facebook die Nachrichten reingehen – ja, dann ist man den ganzen Tag gut beschäftigt. Am Ende ist es aber auch Umsatz und es ist wichtiger Umsatz. Ganz sicher Umsatz, der an uns vorbeigegangen wäre und irgendwo im Internet gelandet wäre, wenn wir diese Kanäle nicht bedienen. Das ist meine Meinung dazu.

 

Andrea:   Es sind viele Kanäle, die man inzwischen bedienen muss als Buchhändler:in. Das kenne ich auch von Kolleg:innen, die dann manchmal stöhnen und sagen „Huch, da muss ich jetzt auch noch gucken“. Aber es ist eben genau der Punkt: Es ist alles Umsatz, der dann in die Buchhandlung fließt. Und das trägt ja dazu bei, dass der stationäre inhabergeführte Buchhandel auch noch weiterleben kann.

 

Anja: Ja, wir erleben da auch ganz häufig eine Überraschung bei den Kunden. Also das ist wirklich so, dass die sagen, dass hat ja super geklappt. Und wie? Ich kann das Buch morgen schon bei euch abholen? Das muss ich sagen, da holt man natürlich  – alle schimpfen darüber, dass der Umsatz immer weniger im lokalen Handel passiert und wir den Umsatz im Grunde ins Internet abgeben- aber genau da hole ich ja die Kund:innen zurück und dann muss ich eben den Kanal bedienen. Und mit ein bisschen Organisationsleistung ist das auch händelbar. Meiner Meinung nach. 

 

Andrea: Das perfekte Schlusswort! Besser kann man es ja gar nicht zusammenfassen. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast und dass wir so ein bisschen ins Quatschen gekommen sind: über deine Buchhandlung, über deinen Weg in den Buchhandel und natürlich auch über Social Media.

 

Anja: Vielen Dank, dass du dieses tolle Projekte wahrhaft auf die Beine gestellt hast und mich dann auch zu Gast haben wolltest. Das freut mich umso mehr. Und ich hoffe, dass ich ganz viele tolle Ideen und Beiträge im kommenden Jahr höre und mir ganz viel bei meinen Kolleginnen und Kollegen in den anderen Buchhandlungen abschauen kann.

 

Andrea: Ja, es kommen auf jeden Fall noch sehr viele tolle Kolleginnen und Kollegen. Also das wird gut. Und bis Ende des Jahres sind wir schon gut in Planung für ein Jahr lang bücher:held:innen.

 

Anja: Ich bin gespannt.

 

Andrea: Alle, die jetzt Lust haben, bei dir rein zu gucken. Ich sage es noch mal: schaut bei Instagram oder Facebook nach @rheinschmökern.  Rhein, wie der Fluss!  Und jetzt direkt mal Alle ab auf deinen Account und abonnieren! Sich mit dir austauschen, weil das hast du am Anfang auch noch mal gesagt, das Netzwerk ist es, was die Buchbranche ausmacht. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, klickt auf Folgen.

 

Anja: Gerne, gerne. Wir freuen uns.

 

Andrea: Dann sagen wir für heute: „Tschüss!“